Die Kündigung des Bauvertrags bei Arbeitseinstellung: Ein Überblick aus rechtlicher Perspektive
Die Kündigung von Bauverträgen ist ein komplexes und häufig kontroverses Thema im Baurecht. Insbesondere die außerordentliche Kündigung wegen der Einstellung der Bauarbeiten wirft viele Fragen auf, die in der Praxis oft zu Rechtsstreitigkeiten führen.
Die rechtlichen Grundlagen
Leistungspflicht und Kooperationspflicht des Bauunternehmers
Gemäß den Bestimmungen der VOB/B (Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen – Teil B) ist der Bauunternehmer verpflichtet, die vertraglich vereinbarten Arbeiten fristgerecht und ordnungsgemäß auszuführen. Diese Leistungspflicht umfasst auch die kontinuierliche Fortführung der Bauarbeiten. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Kooperationspflicht des Bauunternehmers, die ihn dazu verpflichtet, mit dem Bauherrn eng zusammenzuarbeiten und auf dessen berechtigte Anforderungen einzugehen.
Voraussetzungen für die außerordentliche Kündigung
Nach § 314 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist eine außerordentliche Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund möglich, wenn dem Auftraggeber die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Auftragnehmer seine vertraglichen Pflichten erheblich verletzt und dadurch das Vertrauensverhältnis zerstört wird. Diese Zerstörung kann entweder durch einzelne schwerwiegende Pflichtverletzungen oder durch eine Gesamtabwägung mehrerer weniger gravierender Verstöße erfolgen.
Fallbeispiel aus der Rechtsprechung
Fall: OLG Hamburg, Urteil vom 17. November 2022, Az. 4 U 110/22
Der Sachverhalt: Ein Bauunternehmer wurde mit Trockenbauarbeiten beauftragt, die er durch Nachunternehmer ausführen ließ. Der Bauherr verweigerte die Genehmigung der Nachunternehmer und verlangte die Vorlage von Eignungsunterlagen. Der Bauunternehmer stellte daraufhin die Arbeiten ein und ließ eine Frist zur Wiederaufnahme verstreichen, woraufhin der Bauherr den Vertrag kündigte.
Das Urteil: Das OLG Hamburg entschied zugunsten des Bauherrn und bestätigte die Kündigung des Bauvertrags aus wichtigem Grund. Der Bauunternehmer habe seine Kooperationspflicht verletzt, indem er die Arbeit einstellte und keine Bemühungen zeigte, die Baustelle wieder zu besetzen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH wurde durch Beschluss vom 31. Januar 2024 (Az. VII ZR 242/22) zurückgewiesen.
Die Konsequenzen: Der Bauunternehmer muss intensive Bemühungen unternehmen, um das Bauvorhaben voranzutreiben, selbst wenn der ursprüngliche Terminplan nicht mehr eingehalten werden kann. Die bloße Hoffnung auf eine nachträgliche Zustimmung des Bauherrn zu den Nachunternehmern ist nicht ausreichend.
Gesamtbetrachtung und Vertrauenserhalt
Ein Auftraggeber ist zur außerordentlichen Kündigung des Vertrags berechtigt, wenn durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers der Vertragszweck so gefährdet ist, dass dem Auftraggeber die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses kann entweder auf einzelnen besonders schwerwiegenden positiven Vertragspflichtverletzungen beruhen oder sich aus einer ganzen Reihe von Pflichtverletzungen, die jeweils für sich genommen zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung nicht ausreichend wären, im Rahmen einer Gesamtabwägung ergeben.
Praktische Hinweise für Bauunternehmer
Kooperation und Kommunikation: Bauunternehmer sollten stets eng mit dem Bauherrn zusammenarbeiten und auf dessen berechtigte Anforderungen eingehen. Bei Problemen oder Verzögerungen ist eine offene Kommunikation unerlässlich.
Dokumentation und Nachweise: Es ist wichtig, alle erforderlichen Unterlagen zur Eignungsprüfung der Nachunternehmer vorzulegen und zu dokumentieren, um Missverständnisse und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Fristen einhalten: Fristsetzungen durch den Bauherrn zur Wiederaufnahme der Arbeiten müssen ernst genommen und eingehalten werden. Bei Schwierigkeiten sollten Gründe für eine Fristverlängerung nachvollziehbar dargelegt werden.
Intensive Bemühungen: Bei unerwarteten Problemen oder Verzögerungen müssen Bauunternehmer intensive Bemühungen zeigen, um die Arbeiten fortzuführen und das Bauvorhaben nicht weiter zu verzögern.
Fazit
Die Rechtsprechung des OLG Hamburg und die Zustimmung des BGH hierzu zeigt, dass Bauunternehmer eine hohe Verantwortung tragen, ihre Arbeiten kontinuierlich und in Kooperation mit dem Bauherrn auszuführen. Die Einstellung der Arbeiten ohne triftigen Grund kann zur außerordentlichen Kündigung des Bauvertrags führen. Dabei spielen sowohl einzelne schwerwiegende Pflichtverletzungen als auch eine Gesamtabwägung kleinerer Verstöße eine Rolle. Bauunternehmer sollten daher sorgfältig und kooperativ vorgehen, um rechtliche Konflikte zu vermeiden und das Vertrauen des Bauherrn zu erhalten.
Autor: Rechtsanwalt Max-Josef Heider, Garching bei München, ra-heider.de