LEED-Gold für Gerichtsgebäude in Brasilien
Nicht nur mit Blick auf die beiden sportlichen Großereignisse – Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und Olympische Sommerspiele 2016 – bringt sich Brasilien in Bestform. Auch in Sachen Umweltschutz macht sich das Land fit für die Zukunft. Green Buildings, ökologisch nachhaltige Bauten, lautet die verbindliche Vorgabe an die Planer der Sportstätten. Gold erhielt als erstes öffentliches Bauwerk in Brasilien jedoch ein Gerichtsgebäude des brasilianischen Architekten Siegbert Zanettini, das Tribunal de Justica do Distrito Federal e dos Territórios (TJDFT). Es wurde mit dem weltweit anerkannten LEED-Zertifikat in Gold (Leadership in Energy and Environmental Design) ausgezeichnet.
Brasilien, fünftgrößtes Land der Welt, ist für architektonische Höchstleistungen legendär. In rund 1.000 Tagen wurde von 1956 bis 1960 die Hauptstadt Brasilia nach einem Entwurf von Oscar Niemeyer aus dem Boden gestampft. Seit 1987 gehört das Zentrum der riesigen Retortenstadt zum Weltkulterbe. In der künstlich erschaffenen Metropole leben heute 3,5 Millionen Menschen. Atemberaubend futuristische Gebäude aus Beton, Glas und Stahl prägen das Gesicht der Stadt. Jetzt gewinnt in Brasilia ebenso wie in den anderen Großstädten des Landes das Thema nachhaltiges Bauen zunehmend an Tempo. Eine strikte Nachhaltigkeitsagenda steuert den Bau von Infrastruktur und Stadien für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014. Auch für Büro-, Hotel- und Wohnungsbau erkennt die boomende Bauwirtschaft das enorme ökologische und ökonomische Potenzial ressourcenschonender, energieeffizienter Bauten in dem tropischen bis subtropischen Klima Brasiliens. Sprunghaft steigende Zertifizierungs-Anfragen und Auszeichnungen nach LEED – Brasilien belegt weltweit Platz 4 – zeigen dies eindrucksvoll.
Auch das Tribunal de Justica do Distrito Federal e dos Territórios (TJDFT) sollte nach den Wünschen der Bauherrn diese Hürde nehmen. Für eine Zertifizierung nach LEED bewertet das U.S. Green Building Council mit strengen, international gültigen Kriterien die Nachhaltigkeit der Baulanderschließung, Maßnahmen zur Wassereinsparung und Energieeffizienz, Materialauswahl sowie die Qualität der Innenraumausstattung und den Innovationsgrad des Designs. Mit der Umsetzung des ökologisch ambitionierten Gerichtsgebäudes beauftragte die Stadt den für nachhaltige Projekte mehrfach ausgezeichneten brasilianischen Architekten Siegbert Zanettini. Er entwarf ein 6.200 Quadratmeter großes, fünfstöckiges Bürogebäude als filigrane Stahl-Glas-Konstruktion. Prägnantes Gestaltungsmerkmal ist eine signalrote Mittelachse mit zwei seitlich leicht versetzt angeordneten Gebäuderiegeln. Der linke Flügel erhielt auf jeder Etage durchgehende, begrünte Terrassen, um die puristische Optik aufzulockern und zur Verbesserung der Luftqualität beizutragen. Für die jeweils darunterliegende Etage dienen sie als Schattenspender – unterstützt durch einen vertikal vor die oberen vier Etagen mittig gehängten Sonnenschutz aus Edelstahlgewebe. Bei dem rechts von der Mittelsäule abzweigenden Gebäudeteil ersetzt Zanettini die aufwändige Terrassen-Dach-Konstruktion durch eine vollflächige Bekleidung mit dem GKD-Metallgewebe. Auch hier gewährleistet es eine natürliche Luftzirkulation und hält direkte Sonneneinstrahlung zurück. Dadurch minimiert es die thermische Belastung der Innenräume und den Aufwand für die Raumklimatisierung. Optisch unterstreicht die gewebte Haut die transparente Leichtigkeit der Architektur. Sie reflektiert Licht und Farbigkeit der Umgebung und ordnet sich ihr einfühlsam unter. Vom Gebäudeinneren aus erlaubt die textile Struktur der metallischen Hülle ungestörten Ausblick.
Siegbert Zanettini entschied sich für Edelstahlgewebe der Firma GKD – Gebr. Kufferath AG, das er von verschiedenen Projekten außerhalb Brasiliens kannte. Insgesamt 16 Elemente vom Typ »OMEGA 1520« – jedes 13,80 Meter lang und 3,20 Meter breit – kamen beim TJDFT zum Einsatz. Die Befestigung erfolgte in der von GKD entwickelten Klebetechnik »Fusiomesh«. Als Alternative zu der bewährten Befestigung mittels Rundstange und Augenschrauben unterstreicht dieses Verfahren die filigrane Optik des Objektes. Diese erste Anwendung von Metallgewebe in Brasilien als Sonnenschutz und die begrünten Terrassendächer erfüllten das LEED-Kriterium »innovatives Design«. Wartungsfreiheit, Windlast- und Witterungsbeständigkeit, natürliche Belüftung sowie Tageslichtdurchlässigkeit der gewebten Textur wirkten sich positiv in der Energieeffizienzbewertung des verbauten Materials aus. Zanettinis Entwurf sah zudem vor, dass 20 Prozent der beim TJDFT eingesetzten Baustoffe aus recyceltem Material sein sollten. Die Herstellung des Gewebedrahtes aus fast vollständig wiederaufbereitetem Edelstahl und das Recycling von Edelstahl am Ende der überdurchschnittlich langen Lebenszeit waren für ihn deshalb weitere wichtige Faktoren, um die Ökobilanz des Gebäudes zu optimieren.
Bereits bei der Baulanderschließung achtete Zanettini auf einen behutsamen Umgang mit der Natur. Aushub und Baustoffabfall wurden zu 75 Prozent wiederverwendet. Das Holz für die Trennwände der Innenraumgestaltung stammt nachweislich aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Alle Farben und Leime wurden von einem unabhängigen Labor auf ökologische Unbedenklichkeit und Emissionsfreiheit – insbesondere auch in Bezug auf flüchtige organische Verbindungen (VOC) – überprüft. 40 Prozent der beim Bau eingesetzten Materialien wurden aus dem regionalen Umkreis bezogen, um unnötige Transporte, Kosten und Umweltbelastungen zu vermeiden. Der Einbau wassersparender Sanitäranlagen sowie die Wiederverwendung von Brauch- und Regenwasser für Gebäudereinigung und Gartenpflege trugen den anspruchsvollen Bewertungskriterien zur Schonung der Wasserressourcen Rechnung.
Der Aufwand hat sich gelohnt: 2011 wurde das »grüne Gerichtsgebäude« seiner Bestimmung übergeben. Als erstes öffentliches Bauprojekt erhielt es für seine klimaaktive Fassade und konzeptionelle Nachhaltigkeit die LEED-Zertifizierung in Gold.
GKD – Gebr. Kufferath AG, www.gkd.de