Revitalisierung des Konstanzer Fernmeldeturms: Ein modernes Wohnhochhaus entsteht
Die Umnutzung des schmucklosen ehemaligen Fernmeldeturms in Konstanz zu einem modernen Wohnhochhaus ist ein Vorzeigeprojekt. Das Konzept des international tätigen Architekturbüros Sauerbruch Hutton, Berlin, trägt der exklusiven Aussichtslage mit großzügigen Balkonanlagen Rechnung. Die sichere Anbindung war aufgrund der sensiblen Gründung, der Lage im Erdbebengebiet sowie hoher Windlasten eine statische Herausforderung, die mit dem Schöck Isokorb zuverlässig gelöst werden konnte.
Dem Post- und Bürohochhaus aus den 60er Jahren im Konstanzer Stadtteil Petershausen wird nach jahrelangem Leerstand neues Leben eingehaucht. Mit 62 Metern Höhe ist es nach dem Münster das zweithöchste Gebäude der attraktiven Stadt am Bodensee. Die bundesweit tätige BPD Immobilienentwicklung GmbH, die das rund 11.500 Quadratmeter große Gesamtareal 2017 erworben hat, realisiert hier im Zuge einer Komplettsanierung das Wohnprojekt Ode Lofts. 2025 soll das Bauvorhaben abgeschlossen sein.
Das 16-geschossige Hochhaus ist Teil einer innerstädtischen Quartiersentwicklung, die das gesamte so genannte Telekom-Areal umfasst. Das 16. Obergeschoss wird weiterhin von der Telekom genutzt, in den Geschossen darunter entstehen 98 hochwertige Loftwohnungen. Diese zeichnen sich durch eine lichte Raumhöhe von bis zu drei Metern, elegant geschwungene Balkone und einen atemberaubenden Panoramablick aus: Von der für alle Bewohner zugänglichen Dachterrasse im 16. Obergeschoss reicht der Blick nach Osten über den See bis zu den Schweizer Alpen; nach Westen genießt man den Blick auf den Schweizer Seerücken und die malerische Hügellandschaft des Hegaus.
Sieger des vorangegangenen Architektenwettbewerbs ist das Büro Sauerbruch Hutton. Dem renommierten Berliner Architekturbüro ist es gelungen, den ehemals spröden und nüchternen Büroturm mit realisierbaren und zugleich wirkungsvollen Eingriffen ästhetisch und funktional überzeugend in ein modernes Wohnhochhaus mit außergewöhnlichem Erscheinungsbild zu verwandeln.
Die Primärkonstruktion, an der sich auch die Wohnungsgrundrisse orientieren, bleibt erhalten und wird an den Fassadenlängsseiten um einen Meter erweitert. Ein vorgelagerter „Screen“ aus Balkonen mit teilverglasten Elementen verleiht dem Gebäude Leichtigkeit und ergänzt jede Wohnung um einen individuell nutzbaren Außenraum. Die 14 durchlaufenden Balkone vom 2. bis zum 15. Obergeschoss gliedern die Fassade horizontal. Die mit keramischen Fliesen verkleideten Brüstungen nehmen die Grüntöne des angrenzenden Parks auf und fügen je nach Himmelsrichtung einen weiteren Farbton hinzu – zur Seeseite blau, zur Stadtseite rosa.
Material, Farbe und Details brechen die Dominanz des Hochhausriesen, der im Kontrast zu seiner Umgebung steht. Vera Hartmann, Architektin und Geschäftsführerin von Sauerbruch Hutton, fasst das Gestaltungskonzept zusammen: “Die neue Fassade nimmt dem Gebäude seine Dimension. Die Balkone legen sich wie ein Faltenwurf um das Haus, die Verkleidung mit farbiger Keramik wirkt fast textil. Eine Schiebeverglasung, mit der die Balkone zu zwei Dritteln windgeschützt geschlossen werden können, bringt zusätzliche Bewegung in die Fassade. Zusammen mit einer Fassadenverkleidung aus Aluminiumblech ergibt sich ein flirrendes Gesamtbild, das mit der Atmosphäre der umgebenden Stadtlandschaft korrespondiert.
Der hohe Anspruch an die Sanierung spiegelt sich auch in der Architektur wider, wie Rainer Beitlich, verantwortlicher Projektleiter der bundesweit tätigen BPD Immobilienentwicklung, bestätigt. Bei den Ode Lofts Konstanz handele es sich um ein anspruchsvolles Projekt, für dessen Realisierung vor allem die einzigartige Top-Lage gesprochen habe.
In einem ersten Schritt wurde der Büroturm komplett entkernt und bis auf das Stahlbetonskelett zurückgebaut. Vera Hartmann erklärt, dass sie 93 Prozent der Rohbaustruktur erhalten und als Ressource nutzen konnten. Nach ihren Berechnungen haben sie so insgesamt 2.268 Tonnen CO₂ eingespart – so viel, wie 2.268 Buchen in 80 Jahren binden. Für den Erweiterungsbau wurde eine neue Fassadenwand, die dem vorhandenen Stützenraster folgt, in Ortbetonbauweise errichtet und an das Bestandsgebäude angeschlossen. Diese besteht aus den vertikal verlaufenden Wandscheiben, den Fassadenstützen, und den horizontal verlaufenden Geschossdecken. Die Hauptlast der Geschossdecken wird über die neuen Fassadenstützen abgetragen. Aus statischen Gründen werden die vertikalen Wandscheiben auf Mikropfählen gegründet. Als tragendes Wärmedämmelement für den Anschluss der frei auskragenden Stahlbetonbalkone wurde der Schöck Isokorb T Typ K in die neuen Deckenstreifen einbetoniert.
Die neue Geschossdecke – der Erweiterungsstreifen, der an die bestehende Geschossdecke angeschlossen wurde – liegt auf der neuen vorgesetzten Fassadenkonstruktion auf. Die Last der bis zu 12,90 Meter langen und 1,13 bis 2,43 Meter tiefen Balkonplatten der Ode Lofts wird über den Schöck Isokorb geschossweise vollständig in diese vorgesetzte Fassadenkonstruktion eingeleitet. Seitliche Auflagerpunkte sind nicht vorhanden. Tobias Tiyaworabun, Projektingenieur vom Ingenieurbüro Werner Sobek Frankfurt, erklärt, dass man den Anschluss mit Schöck Isokorb lösen wollte, da man bereits bei anderen Projekten gute Erfahrungen mit dem bewährten Produkt gemacht hatte, auch was die Planungsunterlagen und die Unterstützung des Herstellers bei Sonderlösungen betraf. Die vor dem Betonieren in die Balkonplatten eingelegten Hohlkörper führten zudem zu einer Lastreduzierung von ca. 15 Prozent. Die Minimierung des Eigengewichts war nach Aussage des Tragwerksplaners angesichts des spezifischen Baugrunds in Konstanz und der sensiblen Mikropfahlgründung eine entscheidende Überlegung bei der Realisierung der neuen vorgespannten Konstruktion.
Tobias Tiyaworabun erläutert, dass sie die Setzungen und Stauchungen der Fassade mit den daraus resultierenden Verformungen in die Planung einbeziehen und die Schalungen der Balkonplatten mit einer entsprechenden Überhöhung erstellen mussten. Diese mussten geschossweise individuell vorgegeben werden, um die nachhaltige Lage der Balkone zu sichern. Der Aufwand, um dieses sensible System bemessen zu können, war enorm. Der Statiker beschreibt, dass neben Dingen wie Ausschalfristen, Belastungen im Bauzustand, freitragende Unterrüstungen sowie Balkonbrüstungen oder Betonfestigkeit auch die Drehfeder des Isokorb berücksichtigt werden musste, weshalb sie laufend in enger Abstimmung mit Schöck waren.
Es wurden baubegleitende Messungen zur Überwachung der Verformungen durchgeführt. Seit September 2023 sind alle Balkone montiert. Tobias Tiyaworabun erläutert, dass die aktuellen Verformungsmessungen zeigen, dass sich die mit Schöck planerisch abgestimmte Torsionsfeder sehr genau einstellt, was ein sehr positives Ergebnis ist. Er betont in diesem Zusammenhang die gute Zusammenarbeit mit dem Hersteller und hebt hervor, dass Schöck sie hervorragend unterstützt und die in der Planung getroffenen Annahmen überprüft hat. Es fand ein ständiger Austausch über Optimierungen und Verbesserungen statt.
Damit die Balkonplatten auch in der Reihe stabil und ohne Versatz „auf Linie“ bleiben, wurde Schöck Stacon Typ LD als einfache Lösung ohne zusätzliche Konstruktionen eingesetzt. Der Querkraftdorn verbindet die Platten über die Dehnfugen miteinander, überträgt die Querkräfte und ermöglicht gleichzeitig die erforderliche Beweglichkeit. Dadurch erfahren die Platten über die gesamte Fassadenbreite die gleiche Verformung. Das war nicht nur aus optischen Gründen wichtig. David Schreiber vom Regionalbüro Bodensee der BPD Immobilienentwicklung betont, dass auch um die Funktionalität der verschiebbaren Glaselemente auf Dauer zu gewährleisten, keine Verformungen auftreten dürfen.
Die Bodenseeregion ist ein Erdbebengebiet und mit der Erdbebenzone 2 in die zweithöchste Klasse eingestuft, in der rechnerische Intensitäten von 7 bis <7,5 (EMS-98) zu erwarten sind. Zusätzlich gilt für die Bebauung in Konstanz die höchste Windklasse. Hier können Windlasten wie an der Nordsee auftreten. Die eingesetzten Schöck Isokorb Typen erfüllen diese extremen Anforderungen. Für die Ode Lofts Konstanz wurden mit dem Isokorb T Typ K M10 VV1 und dem Isokorb T Typ H VV1 besonders leistungsfähige Typenvarianten mit entsprechender Aufnahmekapazität für H-Lasten im Erdbebenlastfall gewählt. Der Isokorb XT/T Typ H ist die einzige bauaufsichtlich zugelassene Lösung für Erdbeben in Europa. Die geprüften und zugelassenen Tragfähigkeiten sind der ETA 17/0261 zu entnehmen. Die Anwendung des Produkts in Deutschland regelt die aBG Z-15.7-388. Für David Schreiber war die Wahl klar, denn sie mussten sich auf die Trag- und Funktionsfähigkeit des Balkonanschlusses absolut verlassen können. Deshalb entschieden sie sich nicht nur für den als Qualitätsprodukt bekannten Schöck Isokorb, sondern auch für die hochwertigste Ausführung, die es für ihre Anforderungen gab. Sie wollten kein Risiko eingehen und der Schöck Isokorb ist einfach ein Referenzprodukt.
Durch die Revitalisierung des lange leerstehenden Büroturms gewinnt Konstanz 10.000 Quadratmeter Wohnfläche. Rainer Beitlich erklärt, dass das geltende Baurecht nur noch fünf- bis sechsgeschossige Gebäude zulässt. Durch die Umnutzung entstünden 98 Wohnungen mit Wohnflächen von 32 bis 188 Quadratmetern ohne zusätzliche Flächenversiegelung. Neben dem Erhalt der Bausubstanz wird so auch die Umwelt geschont.
Bautafel
Bauzeit: 2021 bis voraussichtlich 2025
Bruttogeschossfläche: 41.000 m²
Bauherr: BPD Immobilienentwicklung GmbH, Frankfurt am Main
Architektur: Sauerbruch Hutton Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Tragwerksplanung: Werner Sobek Frankfurt GmbH & Co.KG, Frankfurt/ am Main
Produkte: Schöck Isokorb T Typ K, Schöck Stacon Typ LD