Sanieren, um zu vermieten
Viel ist zu lesen über hohe Mieten und „Edel-Sanierungen“ in den boomenden Zentren Deutschlands. Über die Aufgaben, die Wohnungsunternehmen in schrumpfenden Städten zu bewältigen haben, schreiben die großen Medien dagegen nur wenig. Nun geht es dort auch nicht um „Ent-Mietung“. Hier steht im Mittelpunkt, die Immobilien überhaupt vermieten zu können. Die Maßnahmen – beispielsweise eine (energetische) Sanierung – ist da eben nicht schlagzeilenträchtig, obwohl dieser Fall sicher repräsentativer ist (und den Mietern klare Vorteile bietet), als so manches groß aufgehängte Negativbeispiel. In Salzgitter (Niedersachsen) hat jetzt die dortige kommunale Wohnungsgesellschaft mehrere Straßenzüge energetisch optimiert, um weiterhin attraktive Wohnungen anbieten zu können. Mit Erfolg: Die Gebäude aus den 1950er/1960er Jahren sind nicht nur energetisch auf aktuellem Stand, sie sehen auch wieder schön aus – und sind gut vermietet.
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Wohnhäuser aus der Aufbauphase der 1950er und 1960er Jahre bieten hohes Energie-Einsparpotenzial. Bei unsanierten Gebäuden sind bis zu 70 Prozent weniger Energiebedarf nicht unrealistisch. Das Beispiel aus Salzgitter zeigt, wie dieses Potenzial genutzt werden kann: Hier wurden große Gebäudeensembles durch gezielte Investitionen zukunftsfähig gemacht. Ziel war nicht nur der geringere Energiebedarf, sondern auch, die Vermietbarkeit in der Kreisstadt mit sinkender Einwohnerzahl nachhaltig sicherzustellen.
Die Wohnbau Salzgitter GmbH vermietet und verwaltet mehr als 5.100 Wohnungen, in denen fast 10.000 Menschen leben. Sie zählt damit zu den bedeutenden Immobiliengesellschaften der Region. Ein Großteil der Gebäude stammt aus den 1960er Jahren, einige Objekte sind noch älter. Die Modernisierung ist deshalb ein zentrales Anliegen der Wohnbau. Allein 2013 summierten sich die Investitionen in Instandhaltung und Modernisierung auf rund acht Millionen Euro. Zu den sanierten Objekten gehören die Wohnhäuser im zweitgrößten Stadtteil (Bad) in der Käthe-Kollwitz-Straße und in der Friedrich-Ebert-Straße. „Man kann schon sagen, dass die Sanierung städtebauliche Bedeutung hatte, weil wir eine Seite eines fast kompletten Straßenzuges modernisiert haben“, erklärt Lutz Rohn von der Wohnungsgesellschaft. Allein in der Friedrich-Ebert-Straße investierte die Wohnbau 2013 rund 1,6 Millionen Euro in die Fassadenerneuerung und weitere 350.000 Euro in neue Fenster.
106 Wohnungen mit mehr als 7.000 Quadratmetern Gesamtmietfläche in den vier- und fünfgeschossigen Häusern erhielten eine neue Außendämmung. Das Ziel: Wärme-durchgangskoeffizient 0,2 W/m²K. Viele ungedämmte Wände haben einen U-Wert zwischen 1,3 W/m²K und 1,4 W/m²K. Auf diesem Stand waren auch die Gebäude in der Friedrich-Ebert-Straße, die Außenwände bestanden aus beidseitig geputztem Mauerwerk. Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) mit Dicken zwischen vier und acht Zentimetern gab es nur an einigen Giebeln. Zum Vergleich: Energieeffizienzhäuser müssen 0,24 W/m²K erreichen, Passivhäuser sogar 0,15 W/m²K.
„Es zieht“ nicht mehr
Zug entsteht vor allem durch eine ungedämmte Wand: An kal-ten Tagen liegt die Temperatur an der Innenseite der Außen-wand unter der Raumtemperatur, daher kühlt die Raumluft an dieser Wandseite ab. Die kalte Luft „fällt nach unten“, Zirkula-tion entsteht. Bewohner spüren diese Luftbewegung als „Zug“. Fassadendämmung sorgt dafür, dass sich die innere Seite der Außenwand auch bei Minusgraden draußen kaum abkühlt. Die Zirkulation unterbleibt. Durch die Dämmung sinken außerdem die Wärmeverluste über die Wand nach außen, denn die Wärme bleibt im Raum und die Bewohner müssen weniger heizen.
Als Wärmedämm-Verbundsystem hat die Wohnbau Salzgitter in beiden Straßen 14 Zentimeter dicke Dämmplatten aus Polystyrol (Wärmeleitfähigkeit von 0,032 W/mK) verbaut. Bei den ohnehin recht engen Balkonen griff sie auf dünnere Phenolharzplatten mit einer Wärmeleitfähigkeit (WLG) von 0,022 W/mK zurück. Dadurch genügte eine vergleichsweise dünnere Dämmschicht. Die obersten begehbaren Geschossdecken erhielten ebenfalls eine Dämmung: 14 Zentimeter dicke Polystyrolplatten (WLG 035) und eine 19 Millimeter dicke Spanplatte als begehbaren Belag. Zur Verbesserung der Feuchtigkeitsaufnahme und -abgabe kamen außerdem mineralische Kleber und Armierungsmassen zum Einsatz – in Schichtdicken zwischen fünf und sieben Millimetern. Das sorgt später für eine glattere Putzoberfläche. Insgesamt verbesserte sich die Energiekennzahl der Gebäude von 185 kWh/m²a auf 135 kWh/m²a. „Der betriebswirtschaftliche Sinn solcher Maßnahmen liegt vor allem in der Sicherung der Vermietbarkeit der Bestände“, erklärt Rohn.
Doppelte Wärmedämmung
An einigen Giebeln gab es bereits Wärmedämm-Verbund-systeme. Diese wurden weitgehend entfernt. An manchen Stellen wurde aufgedoppelt. Dabei wird die bestehende mit der neuen Dämmung verklebt und zur Sicherheit zusätzlich bis auf den tragenden Untergrund durchgedübelt. Dieses Vorgehen spart Ressourcen und die Zeit für den Abriss der alten Dämmung und die Entsorgung.
Fenster: dreifach verglast
Die neuen Kunststofffenster mit Dreifachverglasung (U-Wert 0,95 W/m²K) ersetzen in der Friedrich-Ebert-Straße zudem die alten, doppelverglasten Fenster. Der Austausch wurde allerdings nicht nur aus energetischen, sondern auch aus strategischen Gründen vorgenommen. „Fenstererneuerung findet hauptsächlich statt, weil es für Fenster, die 30 Jahre und älter sind, irgendwann keine Beschläge mehr gibt“, sagt Rohn. „Und wenn etwas an Fenstern kaputtgeht, sind es die Beschläge.“ Nur ein geringer Teil der Investition kann auf die Miete umgelegt werden. Der volle Betrag würde im vorliegenden Fall eine Mieterhöhung von zwei Euro pro Quadratmeter Wohnfläche bedeuten. „Umgesetzt werden gerade einmal etwa 50 Cent“, erklärt Rohn.
Barrieren: abgebaut
Die Sanierung bekam eine weitere Facette: Barrierefreiheit. An den Häusern in der Friedrich-Ebert-Straße 23 und 25 entfernten die Bauarbeiter dazu die Balkone der Erdgeschosswohnungen und hoben das Geländeniveau an. Es entstanden Terrassen, die über Rampen erschlossen werden.
Dieses Beispiel dürfte Schule machen, denn bereits heute sind bei der Wohnbau 40 Prozent der Mieter 60 Jahre und älter. Das Unternehmen rechnet damit, dass ihr Anteil in den kommenden Jahren deutlich zulegen wird. Damit dürfte auch die Nachfrage nach barrierefreiem Wohnraum weiter steigen.
Bautafel
Sanierung Mehrfamilienwohnhäuser Salzgitter
Standort: Salzgitter, Friedrich-Ebert-Straße / Käthe-Kollwitz-Straße
Auftraggeber: Wohnungsbaugesellschaft mbH Salzgitter
Fassadendämmsystem: StoTherm Vario, teilweise als Aufdoppelung des bestehenden WDV-Systems
Farbgestaltung: StoDesign
Fachhandwerker: maltec Johannes Temps GmbH, Neustadt a. R.; Habekost GmbH, Hildesheim; Gustav Borrmann GmbH & Co. KG, Braunschweig
Fotos: Michael Meschede, Kaufungen / Sto SE & Co. KGaA