Baunachrichten

Zwischen Aufwertung und sozialer Durchmischung


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{jathumbnail off}Großwohnsiedlungen in Ost- und Westdeutschland, zum Teil in Plattenbauweise errichtet, stehen vor der gleichen Situation. In den 70er und 80er Jahren gebaut, setzen sich die Mieter heute vorwiegend aus Älteren oder häufig finanziell schlechter Gestellten zusammen. Weil die Siedlungen aktuelle Anforderungen an den demographischen Wandel, zeitgemäße Grundrisse und energetische Standards nicht mehr erfüllen und zudem niedrige Mieten erwirtschaften, gehören sie zu den „ungeliebten Kindern“ im kommunalen Bestand.

Die Welle von Wernigerode-Stadtfeld nach der Sanierung. Gut zu erkennen, die neuen Dachgeschoss-Wohnungen mit spektakulärem Harz-Blick. Foto: BBP/ M. Bein

Auch für das „Stadtfeld“ in Wernigerode gilt das. Anfang der 80er Jahre errichtet, bot es 1990 mit 2.200 Wohneinheiten gut 4.600 Menschen ein Zuhause. Seit der Wende war ein ständiger Rückgang in den teilweise unsanierten Plattenbauten vom Typ IW 64 zu verzeichnen, die sich im Besitz der kommunalen Gebäude- und Wohnungsbaugesellschaft Wernigerode (GWW) sowie der örtlichen Wohnungsgenossenschaft (WWG) befinden. Wie viele andere Quartiere drohte auch das „Stadtfeld“ sozial zu kippen – Kommune und Wohnungswirtschaft steuerten mit einem integrierten Gesamtkonzept dagegen.

Gefragte Gesprächspartnerin bei der Objektbesichtigung – Kirsten Fichtner, Geschäftsführerin der kommunalen Gebäude- und Wohnungsbaugesellschaft Wernigerode (GWW). Foto: BBP/ M. Bein

Platte mit Dachterrasse
Startschuss für die erfolgreiche Sanierung war der Gewinn einer Goldmedaille im Bundeswettbewerb „Energetische Sanierung von Großwohnsiedlungen 1000 +“ von 2009. Seit Sommer 2012 wird gebaut, kurz vor der Fertigstellung des zweiten Bauabschnittes am Walter-Grosse-Ring zogen die Beteiligten in einer gut besuchten Fachtagung Mitte Oktober eine erste Bilanz.

Die Berliner Ingenieurgesellschaft BBP Bauconsulting und das Stadtbüro Hunger hatten den Wettbewerb mit einem spektakulären Entwurf für sich entschieden. Durch eine spezielle Rückbauidee erhielt das Quartier seine völlig neue Identität. Der Topografie des Harzes nachempfunden wurde mit der „Welle“ eine neue Silhouette der Gebäuderiegel geschaffen, die die strenge Sachlichkeit der einstmals fünfgeschossigen Gebäude aufhebt.

BBP-Geschäftsführer Dr. Hans-Jürgen Gaudig skizzierte die Vielfalt der Aufgabe: „Gebraucht wurde attraktiver Wohnraum, der neue Mieter anzieht, ohne die Alteingesessenen zu verdrängen. Um der alternden Gesellschaft Rechnung zu tragen, wurde die Sanierung für gut die Hälfte der 200 Wohneinheiten barrierearm geplant. Zudem musste massiv Energie eingespart werden, um die Anforderungen für Förderfähigkeit nach KfW E-85 zu erfüllen.“

Neun neue Dachgeschosswohnungen mit großen Terrassen und spektakulärem Harz-Blick werten das Ensemble jetzt auf – dafür wurde das Dach aufgestockt und geöffnet. Alle Mieter profitieren von gut 50 Prozent Einsparung beim Jahres-Endenergiebedarf (von 132 auf 65,4 kWh/(m²a), neuen Bädern und Aufzügen, „schwebenden“ Balkonen und neu gestalteten Freiflächen.

Blick auf den zweiten Bauabschnitt – auch hier formt die Dachkonstruktion aus Holz die Welle. Foto: BBP/ M. Bein

Vorbild für Deutschland
Für Kirsten Fichtner, GWW-Geschäftsführerin, ging es darum, das „Stadtfeld“ als lebenswertes Quartier zu erhalten: „Attraktive Wohnungen zu bezahlbaren Mieten und ein ebenso ansprechendes Wohnumfeld sollen alten und neuen Mietern Lust auf das Wohngebiet am westlichen Rand der ‚bunten Stadt am Harz‘ machen. Fakt ist aber auch, ohne das aktuelle Niedrigzinsniveau wäre eine solche Tiefe der Baumaßnahmen nicht möglich gewesen.“

Oberbürgermeister Peter Gaffert betonte die Bedeutung eines stabilen und finanzierbaren Wohnraumangebotes: „Ich bin überzeugt davon, dass die Beteiligten das selbst gesteckte Ziel erreicht haben – ‚Stadtfeld‘ ist das angesagteste Gebiet für bezahlbaren Mietwohnungsbau in Wernigerode geworden. Die „Welle“ hat jetzt das Potenzial, zu einem Positivbeispiel für das ganze Land zu werden. Die Projektpartner haben gezeigt, dass auch kleinere Wohnungsgesellschaften zu beispielhaften Lösungen imstande sind.“

Referenten der Fachtagung: Dr. Hans-Jürgen Gaudig (BBP), Oberbürgermeister Peter Gaffert, GWWGeschäftsführerin Kirsten Fichtner, vdw-Verbandsdirektor Jost Rieke, Moderator Dr. Bernd Hunger (Kompetenzzentrum Großwohnsiedlungen), Christian Linde (Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft) und Andreas Brümmel (Brummell Landschaftsarchitektur). Foto: BBP/ M. Bein

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