Neues Baurecht könnte Mensch und Umwelt gefährden
Das Umweltbundesamt (UBA) warnt vor möglichen Risiken für Mensch und Umwelt beim Bauen, Sanieren und Nutzen von Gebäuden. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16. Oktober 2014, nach dem es nicht mehr erlaubt ist, an nach EU-Vorgaben normierte, das heißt CE-gekennzeichnete Bauprodukte, ergänzende Anforderungen zu stellen. Maria Krautzberger, Präsidentin des UBA: „Ob Laminat im Wohnzimmer oder Estrich im Einkaufszentrum: Hier dürfen wir weder Abstriche bei der Gesundheit noch beim Umweltschutz machen. Es muss auch weiterhin klar sein, dass Bauprodukte beispielsweise keine gesundheitsschädlichen Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen verursachen.“ Das Urteil muss bis 15. Oktober 2016 umgesetzt werden, daher treten zu diesem Zeitpunkt die bisherigen Regelungen außer Kraft. Nach den bisher gültigen Anforderungen in Deutschland geprüfte Bauprodukte sind dann nicht mehr als solche erkennbar. Es muss deshalb sichergestellt werden, dass zukünftig CE-gekennzeichnete Bauprodukte hohe Mindestanforderungen zur Vermeidung von Umwelt- und Gesundheitsbelastungen erfüllen und dies für die Verwender klar erkennbar ist. Das UBA fordert daher eine mit dem EU-Recht konforme und geprüfte Informationspflicht für die Hersteller.
Zentraler Ausgangspunkt der Anpassungen im deutschen Recht ist das europarechtliche Marktbehinderungsverbot. Demnach darf ein Mitgliedstaat der EU seine Anforderungen an Gebäude im Handel von Bauprodukten nach Auffassung der EU-Kommission nur über die CE-Kennzeichnung geltend machen. Die für den Umwelt- und Gesundheitsschutz benötigten Angaben fehlen allerdings in der CE-Kennzeichnung noch fast komplett. Die Umsetzung des EuGH-Urteils führt in der Praxis zu einer Schutzlücke ─ einem schwächeren Umwelt- und Gesundheitsschutz und höheren Schadstoffbelastungen in Gebäuden. Denn die üblichen Nachweisverfahren über die bauaufsichtliche Zulassung sind dann nicht mehr möglich für Bauprodukte mit CE-Kennzeichnung ─ also für die meisten Bauprodukte am Markt. Zwar beabsichtigt die Europäische Kommission, Umwelt- und Gesundheitsschutzmerkmale in die CE-Kennzeichnung zu integrieren. Dies wird jedoch dauern: nach Einschätzung des UBA mindestens fünf bis zehn Jahre.
Die Bundesländer haben mit einer Novellierung der Musterbauordnung (MBO) bereits mit dem Umbau des bauaufsichtlichen Konzeptes in Deutschland begonnen. Die MBO ermächtigt, die gestellten Anforderungen an Gebäude mit einer Verwaltungsvorschrift zu konkretisieren. Zum Entwurf einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) konnten die betroffenen Kreise Stellung nehmen. Das Umweltbundesamt ist eine von insgesamt 85 Institutionen, Verbänden und Firmen, die sich an der schriftlichen Anhörung beteiligt haben.
Die VV TB enthält dieselben materiellen Anforderungen für Umwelt- und Gesundheitsschutz wie das Baurecht bisher. Ein zurzeit verbleibender wesentlicher offener Punkt ist allerdings, wie Bauherren und Verwender erkennen können, ob ein Produkt die gestellten Anforderungen erfüllt und gewährleistet. Ohne eine transparente Produktkennzeichnung fallen Schadstoffe wie flüchtige organische Verbindungen (VOC) oft erst auf, wenn ein Gebäude bereits steht und die Bewohner sich beschweren. Bis die CE-Kennzeichnung die fehlenden Eigenschaften abdeckt, droht eine jahrelange Schutzlücke, die zu unkalkulierbaren Risiken und Sanierungen führen kann. Eine gute Zwischenlösung, die belastbare Nachweise für den Bauherrn und Verwender mit sich bringt, ist dringend nötig – das heißt eine mit dem EU-Recht konforme und geprüfte Informationspflicht für die Hersteller.